Liebe Leserinnen und Leser,
»… das hier ist kein Erholungsheim! Muss ich das wiederholen? Für jede eine Aufgabe! Für jede Aufgabe jemand! Achten Sie aufmerksam auf IHRE Arbeit, aber auch auf die Ihrer Nachbarin! Arbeit ist Arbeit. (…) Verspätung verstößt gegen die Vorschriften, Fehlen ist strikt verboten …!«
Ich hoffe, Ihre Arbeitstage beginnen nicht mit einer Ansprache, wie sie die kleine Heldin in »Die Ameise und der Bär» (Beltz & Gelberg 2018, siehe Rezension S. 40) jeden Morgen zu hören bekommt. Kein Wunder, dass sie völlig panisch wird, als sie verschlafen hat. Kaum je liest man im Kinderbuch so drastisch vom Arbeitsleben. Klar, es wird ja auch für Kinder erzählt, die – bei uns – in der Regel nicht unmittelbar mit Erwerbsarbeit zu tun haben. Aber natürlich mit Menschen, die arbeiten. Weil darüber hinaus auch das Schreiben, Verlegen und Vermitteln von Literatur Arbeit ist, haben wir uns des Themas angenommen: Arbeit im Buch, am Buch und mit dem Buch steht im Mittelpunkt dieser Ausgabe.
Mit der Sichtung von Arbeit im Buch beginnt Peter Rinnerthaler. Er nimmt drei Berufe ins Visier und sucht nach Übereinstimmungen zwischen der Realität und der Darstellung im Bilderbuch. Ein Friseur ist nicht dabei, obwohl diese Profession im Bilderbuch überrepräsentiert zu sein scheint. Silke Rabus besucht einige der neueren Bilderbuch-Salons und ist angetan. Wohingegen Nicole Kalteis, Fachfrau für Elementarpädagogik eher frustriert ist über die kinderliterarische Repräsentation von Vertreterinnen dieser Berufsgruppe. Nicht nur werden sie meist an den Rand gestellt, sondern vor allem auch als Regelhüterinnen gezeigt. Und Männer gibt es in Kindergärten auch nicht. Dass hinsichtlich der Darstellung von Berufen und Geschlechterrollen insgesamt Luft nach oben ist, beklagt auch Jana Sommeregger in ihrem Kommentar.
Und wie sieht es in der Jugendliteratur generell mit der Thematisierung von Arbeit aus? Thorsten Strübe kommt nach seiner umfassenden Metaanalyse erzählender zeitgenössischer Jugendbücher zum Ergebnis, dass sie darin kaum eine Rolle spielt.
Der letzte Blick auf die Arbeitswelt in der Literatur gilt den Schreibenden – und ist auch eher ernüchternd. Nach der Lektüre diverser Bücher, in denen AutorInnen mitspielen, rät Klaus Nowak angehenden ebensolchen, lieber was G’scheites zu lernen. Wir wollten das verifizieren und haben Schreibende und Illustrierende, also die wichtigsten »ArbeiterInnen am Buch«, gefragt, wie man zu dieser Berufswahl kommt – und ob sie glücklich macht, diese Arbeit. Das Ergebnis spricht eindeutig gegen Klaus Nowaks Ratschlag: Ein unbedingter Wille steht hinter Kathrin Schärers Berufswahl, sie ziehe, meint sie, ihre Arbeit jederzeit dem Liegestuhl vor. Ähnliches berichten Leonora Leitl (gleich hier links), Birgit Antoni und Hannes Wirlinger. Auch Agnes Ofner und Sigrid Eyb-Green scheinen ihre Tätigkeit mit Freude auszuüben. Über Geld haben wir allerdings nicht gesprochen.
Selbstausbeutung ist vermutlich auch für KleinverlegerInnen kein Fremdwort. Davon können Barbara Kindermann und Jürgen Lagger erzählen. Beide haben ohne viel Erfahrung einen Verlag gegründet, der Kindermann Verlag in Berlin feiert gerade sein 25-jähriges Jubiläum, Luftschacht in Wien gibt es auch schon 15 Jahre. Nicht schlecht in einer Zeit, in der viele Verlage vom Markt verschwunden sind oder von Großen geschluckt wurden.
Neben VerlegerInnen arbeiten natürlich noch viele andere am Buch: Lektorinnen, Übersetzer, Grafikerinnen, Vertreter, Buchhändlerinnen, … Mit einem Berufsbild, das auch im Bereich der KJL zunehmend wichtiger wird, haben wir uns noch auseinandergesetzt, mit dem der literarischen AgentInnen. Die Gründerin der Agentur »Auserlesen – Ausgezeichnet« Susanne Koppe weiß die Antworten auf die Fragen, warum KünstlerInnen sich von einer Agentur vertreten lassen sollten und wie sie mit den Verlagen auskommt. Die Autorin Irmgard Kramer wiederum lobt die feine Zusammenarbeit mit ihrer Agentin.
Am Ende steht die Arbeit mit dem Buch: Simone Kremsberger fragt, wie jene in Zukunft in den Bibliotheken aussehen wird. Renate Habinger & Barbara Schwarz greifen nach den Sternen der Literaturvermittlung und stellen eine Art Manifest auf. Und Andrea Kromoser erzählt, wie hoch diese Sterne im Berufsalltag hängen.
Im Besprechungsteil kommt mit Hans ten Doornkaat ein Mensch zu Wort, der schon sein ganzes Leben am Buch und mit dem Buch arbeitet. Er stellt nach einem analytischen Blick auf neuere Sachbücher – nur leicht polemisch – fest: »Nur schön reicht nicht.« Was aber ist schön? Und gut? Das wird in der Literaturkritik immer wieder neu diskutiert. Gute Arbeit diesbezüglich leisten auch unsere RezensentInnen. Die wenigsten von ihnen leben allerdings vom Kulturjournalismus, sondern gehen einem Brotberuf nach. Viele haben aber auch dort oft Bücher in den Händen. Welche Sie in diesselben nehmen könnten, lesen Sie unter »Zeitlos«, »Schwerelos«, »Schonungslos« »Atemlos« und »Grenzenlos« nach.
Die Arbeit an 1001 Buch ist übrigens auch kein Kuraufenthalt, aber immerhin für diesmal fast getan. Ein paar Zeilen noch – wie immer auf den letzten Drücker – und die Druckdaten gehen zur Grafikerin und in die Druckerei. Danach kommen die Hefte in den Vertrieb und (hoffentlich) pünktlich zu Ihnen. Damit Sie über die Arbeit im Buch, am Buch und mit dem Buch lesen können. Auch, um für Ihre berufliche Tätigkeit besser gerüstet zu sein. Diesbezüglich werden Sie auch in 1001 Buch digital + fündig, wo wir zusätzliches Material anbieten. Klicken Sie sich rein.
Bleibt mir nur noch, Ihnen erfreuliche Arbeitstage und erfüllte Feierabende zu wünschen.
Franz Lettner
Aktuelle Neuerscheinungen
Folgende Titel werden in dieser Ausgabe von 1001 Buch besprochen:
Albert, M.: Hazel Wood
Alemagna, B.: Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte
Appelt, K. & A. McGhee: Renn, Senna, renn
Adeyemi, T.: Children of Blood and Bone
Bădescu, R. & A. Jackowski (Ill.): Die Ameise und der Bär
Bagieu, P.: Unerschrocken 2
Ben-Barak, Id. & J. Frost (Ill.): Dieses Buch auf keinen Fall ablecken!
Bernard, J.: Mann, Frau, Mensch
Bishop, S.: Das Mädchen, das im Buchladen gefunden wurde
Blazon, N.: Siebengeschichten
Bourne, H.: Spinster Girls
Clement, J.: Gun Love
Davey, O.: Wer bin ich?
Davies, B.: Der Grottling
Die Urzeit. Die Zeitung für den modernen Dino
Essig, Rolf-B. & R. Kehn: Da haben wir den Salat!
Fabsits, T.: Der Goldfisch ist unschuldig
Ferris, E.: Am liebsten mag ich Monster
Flessner, B.: Das Buch
Frankopan, P.: Die Seidenstraßen
Gardam, J.: Weit weg von Verona
Haeringen, A. van: Mein Papa
Heinrich, F. O. & R. Flygenring (Ill.): Die Reise zum Mittelpunkt des Waldes
Herzog, A.: Agalstra
Huppert, N. & I. Wolfermann: Ich und Nikita und der Adopteur
Jenkins, E. & C. Appelhans (Ill.): Ein Windhund und ein Murmeltier
Kaser, N. C.: meine floete trinkt musik
Kelly, E. E.: Vier Wünsche ans Universum
Klein, S. & S. Harjes (Ill.): Der Traumwolf
Klengel, K.: Girlsplaining
Klupp, T.: Wie ich fälschte, log und Gutes tat
Korbik, J.: How to be a girl
Królak, A.: Was Bären so machen
Kranz, S. & A. Ritter: 100 Frauen …
Kromhout, R.: Anders als wir
Kuipers, A.: Sommerdunkle Tage
Lambeck, S.: Mein Freund Otto, …
Lestrade, A. de & V. Docampo (Ill.): Die Schneiderin des Nebels
Louise, Z. & D. Mackintosh: Arthur und der Bär
Martin, M.: Alles
Mehnert, V. & C. Lieb (Ill.): Alexander von Humboldt
Michaelis, A.: Tankstellenchips
Minelli, M.: Passiert es heute?
Nash, E.: Die Urzeit
Nilsson, U. & H. Herold (Ill.): Mein Papa und ich
Pacovská, K.: Die Nimmtes-Nimmtes Frau
Pettersen, S.: Die Rabenringe. Odingskind
Raab, A. C.: Sor-TIER-Buch
Rowling, J. K. & L. Zwerger (Ill.): Die Märchen von Beedle dem Barden
Schulz-Reiss, Ch. & P. Friz (Ill.): Leonardo da Vinci
Simsa, M. & L. Wolfsgruber (Ill.): Das bunte Kamel
Steinhauser, M.: Von Jim Knopf bis Hotzenplotz
Stuart, C. & X. Abadía (Ill.): Wie schnell ist das Licht?
Tan, S.: Reise ins Innere der Stadt
Tellegen, T. & I. Godon (Ill.): Ich sollte
Unwin, M. & J. Desmond (Ill.): Wanderungen
Valckx, C.: Edler Ritter Federico
Waechter, P.: Toni
Wagner, A.: Hyde
Walden, T.: Pirouetten
Wheatle, A.: Die Ritter von Crongton
Woodward, K.: Power Women
Young, B.: Lost & Found
Die Besprechungen können Sie in absehbarer Zeit auch in der Rezensionsdatenbank Rezensionen online lesen